27.01.2021

Landesgedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN wird jährlich am 27. Januar der Menschen mit seelischen, geistigen und körperlichen Behinderungen gedacht, welche im Nationalsozialismus aus diesen Gründen zwangssterilisiert oder im Rahmen der NS-Euthanasie ermordet wurden. Erstmals widmet sich diese Veranstaltungsreihe den jüngsten Opfern der „NS-Euthanasie“, den Kindern und Jugendlichen mit seelischer, körperlicher und geistiger Beeinträchtigung.

Die landesweite Gedenkveranstaltung findet in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie als digital-dokumentierte Veranstaltung statt: digitales Programm

Auch die Evangelische Stiftung Michaelshof gedenkt mit einer Andacht jedes Jahr der Opfer der NS-Zeit, insbesondere der 22 ermordeten Kinder und Jugendlichen des Michaelshofes. Diese Andacht muss dieses Jahr coronabedingt leider ausfallen. Sie wurde aber aufgezeichnet und den Bewohnern und Mitarbeitern über den Hauskanal zur Verfügung gestellt.

 

 

Verbrechen an psychisch kranken und behinderten Kindern vom Michaelshof

Zwischen 1939 und 1945 wurden im Deutschen Reich und den eroberten Gebieten mehr als 300 000 Menschen im Rahmen der so genannten Euthanasie systematisch ermordet. Es traf die Schwächsten der Gesellschaft: Kranke, Alte, Behinderte und auch mehrere tausend Kinder und Jugendliche, die aus gesundheitlichen, sozialen, politischen oder „rassischen“ Gründen von den Normvorstellungen des nationalsozialistischen Staates abwichen.

Auch Fürsorgezöglinge des Michaelshofes waren betroffen. Mit der Enteignung der Stiftung durch die Nationalsozialisten im Mai 1940 und der Einverleibung des Michaelshofes in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) war die anderenorts längst praktizierte Trennung „Erbgesunder und Kranker“ nicht mehr zu verhindern. Alle Kinder und Jugendlichen auf dem Michaelshof wurden einer Überprüfung „nach den nationalsozialistischen Grundsätzen über Rassenreinheit unter fachärztlicher Betreuung“ unterzogen. Nicht wenige hielten diesen Anforderungen nicht Stand. Etikettiert als „Ballastexistenzen“, „Minderwertige“ oder „Asoziale“ wurden sie der psychiatrischen Versuchs- und Vernichtungsinstanz übergeben.

Waren zwischen 1933 und Anfang 1940 gerade einmal neun Zöglinge vom Michaelshof in die Heil- und Pflegeanstalt für geistesschwache Kinder Lewenberg bei Schwerin verlegt worden, so waren es zwischen 1940 und Anfang 1945 nachweislich 53.
In der Schweriner Anstalt entschied der Arzt Dr. Alfred Leu über die Bildungsfähigkeit der jungen Patienten und deren tendenzieller Brauchbarkeit für den völkischen Staat. In der Mehrzahl diagnostizierte er so genannten Schwachsinn, zudem Psychopathie, Epilepsie, Schizophrenie und „Missbildungen“.
22 namentlich bekannten Kindern und Jugendlichen vom Michaelshof sprach Leu das Recht auf Leben ab. Sie wurden mit Überdosierungen von Medikamenten getötet.

 

"Der Michaelshof Gehlsdorf in der Zeit des Nationalsozialismus" von Dr. Kathleen Haack

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