01.04.2020

175 Jahre Evangelische Stiftung Michaelshof

Die Evangelische Stiftung Michaelshof feiert am 10. April 2020 ihr 175-jähriges Jubiläum. Als Diakon Lundt am 10. April 1845 die ersten Zöglinge im Rostocker Rettungshaus begrüßte, begann die bis heute nicht unterbrochene diakonische Arbeit am Gehlsdorfer Ufer. Den Geburtstag wollte die Stiftung eigentlich groß feiern – aber wegen der Corona-Krise sind nun alle geplanten Festveranstaltungen bis zum 30. Juni 2020 abgesagt.

In seinem Jubiläumsjahr ist der Michaelshof - wie alle anderen auch - vor ganz besondere Herausforderungen gestellt. Der Alltag wird bestimmt vom Corona-Virus und den Maßnahmen, die eine Verbreitung bremsen sollen. Dies betrifft auch die Einrichtungen und Dienste des Michaelshofes. Aktuell werden vorsorgliche Schutzmaßnahmen getroffen, die den persönlichen Bewegungsspielraum aller auf dem Stiftungsgelände spürbar einschränken. Priorität haben in den kommenden Wochen stets die Versorgung und Begleitung der Bewohner in den Wohn- und Pflegeeinrichtungen, die Begleitung der Schüler und Beschäftigten daheim sowie die Sicherstellung der Auftragserfüllung gegenüber Dritten.

Wir sind dankbar, dass sich unsere Mitarbeiter so flexibel und engagiert für unsere Bewohner, Betreuten, Schüler und Beschäftigten einsetzen. So arbeiten Mitarbeiter der Schule seit einiger Zeit sehr engagiert für Bewohner und Stammpersonal in den Wohngruppen und im Michaelwerk stellen Stiftungsmitarbeiter die zwingend notwendigen Produktionsabläufe sicher. Sie alle sind sich der großen Verantwortung für das Stiftungsganze bewusst und stellen sich den neuen ungewohnten Aufgaben.

Der Michaelshof hat in seiner 175-jährigen wechselvollen Geschichte schon einige Schwierigkeiten gemeistert. Und auch in den derzeitigen herausfordernden Zeiten ist der Zusammenhalt deutlich spürbar. Dafür sagen wir herzlich danke und hoffen, dass die Belastungen der kommenden Zeit durch uns gemeinsam geschultert werden können.

 

 

Die soziale Verantwortung der Kirche

Wir sind dankbar für 175 Jahre geleistete diakonische Arbeit im Michaelshof


1843 hält Johann Hinrich Wichern in Rostock St. Marien eine lange und aufrüttelnde Rede zur sozialen Verantwortung der Kirche. Der gegründete Verein zur inneren Mission erwirbt das Kerngebiet des heutigen Stiftungsgeländes, schön gelegen an der Warnow. Evangelische Christen begründen 1845 in Vereinsträgerschaft in Rostock-Gehlsdorf mit großer Unterstützung von Bürgermeister, Universitätsrektor und Großherzog das „Rettungshaus für verwahrloste Knaben“. Der Einzug des ersten Jungen am 10. April 1845 war dann der Beginn diakonischer Arbeit in Rostock. 1851 wird das Rettungshaus für verwahrloste Knaben und Mädchen Kirchliche Stiftung.

In Zeiten der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre schafft es der findige Rostocker Bürger Studemund, harte Dollars aus Amerika und Gulden aus Holland zu organisieren und rettet damit die Einrichtung. Das Rettungshaus, in dem inzwischen über 200 Kinder leben, bekommt 1931 den Namen Michaelshof. Bis 1940 schafft es der Einrichtungsleiter Pastor Karsten, Mitglied der Bekennenden Kirche, den Michaelshof vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. 1940 wird die Kirchliche Stiftung auf Befehl von Reichsstatthalter Hildebrandt enteignet, gleichgeschaltet und in die nationalsozialistische Volkswohlfahrt überführt.
Viele Zöglinge werden verlegt - 22 von ihnen kommen in Versuchsanstalten der Nazis ums Leben. Seit dem Jahr 2016 gibt es auf dem Stiftungsgelände einen würdigen Ort des Gedenkens. Die Einrichtung wird 1945 an die Mecklenburgische Landeskirche wieder zurück übertragen.

Nach der Gründung der DDR gibt es staatliche Begehrlichkeiten auf das lukrative Stiftungsgelände und Repressionen. Die Kirche erhält aus politischen Gründen keine Zuweisungen von Waisenkindern mehr. Die letzten 75 Kinder werden 1950 in staatliche Heime verlegt. Damit ist eine über 100-jährige Arbeit mit Waisen, Obdachlosen, jugendlichen Straftätern und zuletzt auch Flüchtlingskindern zwangsweise beendet. Doch dies ist zugleich der Anfang der Arbeit mit geistig behinderten Menschen, die in der DDR als Menschen zweiter Klasse ohne Recht auf Bildung behandelt wurden.

Nach 1989 wird die Gebäudesubstanz grundlegend erneuert und erweitert und die Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessert. Jeder Geschäftsbereich bezieht 1996 ein neues Bauwerk: Michaelschule, Werkstatt und Krabbehaus öffnen ihre Türen. Mit der Pflegeversicherung ändern sich wichtige Bewirtschaftungsgrundlagen. Mit Gründung der Grundschule und Hort 2013 kommt der Michaelshof zu seinen Wurzeln zurück: Zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gänzlich unabhängig von einer Behinderung. Kinder mit und ohne Behinderungen lernen gemeinsam unter einem Dach in der Michaelschule – die UN-Behindertenrechtskonvention nimmt mit ersten Schritten zur Inklusion auch in der Stiftung Gestalt an. Am Dierkower Damm in Rostock wird 2019 der zweite Gebäudeteil der Schule offiziell eröffnet.

Seit dem Spätsommer 2019 betreut der Michaelhof auch Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in ihrem häuslichen Umfeld.
Derzeit wartet die Evangelische Stiftung Michaelshof auf die Baugenehmigung für 42 barrierefreie Wohneinheiten in Rostock-Dierkow. Wir sind zuversichtlich, dass der Grundstein noch im Jubiläumsjahr gelegt werden kann.

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